Die WHO hat vier pragmatische Leitsätze zur Adoptionsfrage formuliert:
1. Das Kind sollte im zartesten Alter adoptiert werden
2. Das Leben in der Adoptivfamilie wird umso harmonischer sein, je mehr das Alter der Adoptiveltern demjenigen der natürlichen Eltern entspricht
3. Das Verhältnis zwischen Adoptivkindern und Adoptiveltern wird umso herzlicher sein, wenn das Kind seit seiner Frühzeit weiß, dass es ein Adoptivkind ist (Anmerkung: Das bedeutet die moralische Verpflichtung der Adoptiveltern zur Frühaufklärung ihres Adoptivkindes. Bei Spätaufklärung schwingt meist der Wunsch nach Selbsttäuschung mit. Das Kind will nur wissen, ob es „zu Hause“ ist und bleiben darf.
4. Die Adoptiveltern müssen bereit sein, die gleichen Risiken auf sich zu nehmen wie die anderen Eltern. (Adoption bedeutet Gabe und Aufnahme)
MANEKE (1969) schließt sich der Meinung des WHO an und gibt eine zweite Forderung an. Er sieht ein großes Problem in verschiedenen Bereichen der Heime. Nötig sind eine Sanierung der Heimsituation, die Intensivierung der Erziehungspflege, Gesundheitspflege, personale Hinwendung zum Kind, konkrete und gewissenhafte Arbeit und Ausführung von der ärztlichen Seite. Nur dadurch kann einem Deprivationssyndrom entgegengewirkt werden. Das Hauptproblem besteht jedoch darin, dass die Überzeugung dieser Notwendigkeiten und Impulse komplett fehlen.
Die dritte Forderung geht an das Jugendamt und den Gesetzgeber, die durch unumgängliche Formalitäten und einer großen Zahl an erforderlichen Erhebungen und Untersuchungen oft mehrere Monate benötigen. Die Jugendämter sollen dafür sorgen, dass die Heimleiter so geschult werden, dass überforderten Müttern geholfen wird, ihre Einstellung zum Kind erkannt wird und ihnen häufigen Besuch und Kontakt mit dem Kind ermöglicht wird. Um Deprivation vorzubeugen sind „freiere und besser gesetzliche Handhaben sowie großzügigere und lebensnähere Auslegungsmöglichkeiten gesetzlicher Bestimmungen nötig.“. MANEKE (1969) appelliert an Ärzte, Jugendwohlfahrtsorgane und den Staat. Er ist der Meinung, dass sich vieles ändern muss und führt in seiner Arbeit zum Schluss ein Zitat von KONFUZIUS: „Besser ist es, ein kleines Licht anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.“
Zusammenfassung: Alles in allem stellt sich eine deutliche Befürwortung für eine Adoption, so schnell wie möglich ab dem dritten Lebensmonat, heraus. MANEKE (1969) beschreibt in seiner Arbeit die Probleme und Umstände von der Geburt des abgestoßenen Kindes, bis hin zur Adoptionsmöglichkeit und den Gesetzlichkeiten und ruft zur Besserung und Lockerung des Adoptionsprozesses auf. Zudem sollen sich die Heime in jeder Hinsicht qualitativ verbessern. Der erste Schritt wäre getan, wenn seine Intention, die Menschen in den Heimen, sowie den Staat, Ärzte etc. auf dieses Thema aufmerksam zu machen, die Wichtigkeit zu verdeutlichen und diese zu sensibilisieren.
In diesem Abschnitt möchte ich erneut darauf aufmerksam machen, dass sich alle Informationen, Gesetze, Gegebenheiten usw. auf die Jahre um 1969 beziehen und sich bis zur heutigen Zeit einiges geändert hat. Die Thematik und die Umstände in der Vergangenheit lassen eine eigene Meinungsbildung zu und forcieren automatisch einen Vergleichsprozess mit der heutigen Zeit. Interessant wäre es, einen direkten Vergleich im weiteren Verlauf dieser Arbeit fortzuführen, welches jedoch aufgrund der begrenzten Seitenzahl zu umfassend und der kleinen Abweichung des Hauptthemas nicht zu gewährleisten ist.
Zum Abschluss möchte ich aus dem Buch GLÜCKLICHE KINDER – Was sie stark und gesund macht, von Werner Bartens 2013, einige wichtige Aspekte über eine gesunde und fördernde Entwicklung von Kindern zitieren:
„Frühe Erfahrungen legen den Grund für die neuronalen und hormonellen Reaktionen des Körpers auf Belastungen – und zwar ein Leben lang“ – Michael Meaney, Neurobiologe an der McGill University im kanadischen Montreal.
„Besonders wichtige Stimulationen für die Entwicklung eines Kindes sind freundliche Berührungen. Zuwendung und körperliche Nähe können gar nicht früh genug beginnen.“, sagt die Kinderpsychiaterin Heidelise Als aus Boston. Sie hat in vielen Studien gezeigt, dass Frühgeborene sich besser entwickeln, schneller wachsen, weniger Hirnschäden bekommen und sich ihre Lungen und Herzen rascher kräftigen (Als H et al., 1994, S.272)
„Ein mentales Bewusstsein gibt es seit der Geburt. Es wird durch Zuneigung verstärkt, und es ist besonders die mütterliche Sensibilität, die Kinder sozial und emotional macht“
(Legerstee, 2007, S.296).
„Kinder die im achten Lebensmonat besonders fürsorglich von ihrer Mutter behandelt wurden, profitieren in einer großen Untersuchung noch 30 Jahre später davon und blieben zeitlebens weniger auffällig für Stress.“ – Forscherteam um die amerikanische Sozialepidemiologin Joanna Maselko von der Duke University.
Fazit und Ausblick
Die Themen zum Hospitalismus und dem Deprivationssyndrom zeigen die Wichtigkeit von Liebe, das Zuwendung, Menschlichkeit, Respekt, Anerkennung und Hilfsbereitschaft als Komponente hat. Durch diese Komponenten bildet sich von Beginn des Lebens eine stabile Psyche an, die sich auf die körperliche Gesundheit und das Wohlergehen im Leben auswirkt. Der Mensch sehnt sich daher nach Liebe, Anerkennung und Wertschätzung und letztendlich nach Freiheit. Wenn diese durch bestimmte Umweltfaktoren gestört werden und zusätzlich belastende Faktoren hinzukommen, wie z.B. eine lebensverändernde Diagnose, führt dies nicht nur zu psychischen Schäden, sondern auch zur gestörten Genesung. Bei Kindern zeigen sich Schwierigkeiten eine soziale und geschlechtliche Beziehung einzugehen, sowie eine Behinderung im körperlichen Wachstum, ein herabgesetztes Immunsystem und schließlich eine schleichende Entfremdung zur Welt. Liebesentzug und Vernachlässigung führen somit zu psychischen und physischen Schäden, sowie die Beeinträchtigung, sich in die Gesellschaft zu integrieren, was vom Kindesalter an bis zum Tode anhalten kann. Auch im Tierbereich ist dieses Phänomen zu beobachten, wobei Tiere unnatürliches Verhalten aufweisen, wie z.B. ständiges, unruhiges Herumlaufen und Jaktation. Bezogen auf das Krankenhaus heißt das, dass Patienten vor allem von liebevollen und aufmerksamen Menschen betreut werden sollten. Der Pflege kommt daher eine sehr bedeutsame Aufgabe zu, in der sie die Patienten mit vollkommener Fürsorge und Aufmerksamkeit psychisch und physisch betreuen und pflegen. Durch diese Hilfsbereitschaft resultiert eine bessere Genesung des Patienten und gleichzeitig auch ein entlastendes Gefühl der Pflegenden im Krankenhausalltag.
Das aufgeführte Thema kann nicht komplett analysiert werden, da das Thema auch nicht weitreichend erforscht ist und es in der jetzigen Zeit gesetzlich verboten ist, weitere unmenschliche und unmoralische Experimente mit Kindern und Erwachsenen durchzuführen. Es handelt sich lediglich um eine Annäherung in die Thematik und eine erste Berührung mit dem Thema. Die Wichtigkeit von Liebe in ihren verschiedensten Formen soll abschließend erkannt werden und im idealen Fall individuell im Umgang mit den Menschen im Alltag reflektiert werden.
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